00:21
											 
											
												In Wahrheit ist Straffälligkeit eine soziale Frage.
											 
										 
																																				
											
												00:23
											 
											
												Ich bin der Meinung, dass Bewährungshilfe Beziehungsarbeit ist und dass Bewährungshilfe nur funktioniert,
											 
										 
																																				
											
												00:29
											 
											
												wenn man zum Klienten eine Beziehung aufbauen kann, eine Arbeitsbeziehung aufbauen kann.
											 
										 
																																				
											
												00:32
											 
											
												Da habe ich mir im Laufe der Zeit auch schon Tricks oder Fertigkeiten zugelegt,
											 
										 
																																				
											
												00:40
											 
											
												wo es mir auch Spaß macht, Klienten manchmal zu verblüffen oder mit irgendetwas zu überraschen,
											 
										 
																																				
											
												00:45
											 
											
												wo ich mir denke, das bringt ihn sicher zum Denken.
											 
										 
																																				
											
												00:48
											 
											
												Ich lese immer zuerst den Akt und schaue mir an, was er gemacht hat.
											 
										 
																																				
											
												00:51
											 
											
												Dann entwickle ich Überlegungen, was könnte er brauchen.
											 
										 
																																				
											
												00:58
											 
											
												Es ist einmal so eine Hypothesenbildung. Dann kommt das Erhebungsgespräch.
											 
										 
																																				
											
												01:01
											 
											
												Das ist das erste Gespräch, das der Klient bei uns in Kontakt mit der Bewährungshilfe hat,
											 
										 
																																				
											
												01:09
											 
											
												wo eine Situationserhebung der aktuellen Lebenssituation gemacht wird,
											 
										 
																																				
											
												01:13
											 
											
												und aufgrund dieser Erhebung dann auch geschaut wird, den passenden Bewährungshelfer,
											 
										 
																																				
											
												01:19
											 
											
												die passende Bewährungshelferin zu finden.
											 
										 
																																				
											
												01:21
											 
											
												Dann geht es darum, die Klienten kennenzulernen, zu schauen, was sind die Ziele,
											 
										 
																																				
											
												01:28
											 
											
												die man gemeinsam verfolgen könnte, welche Arbeitsvereinbarung kann man treffen.
											 
										 
																																				
											
												01:31
											 
											
												Man muss dem Klienten auch klar machen, dass Teil der Betreuung die Deliktverarbeitung ist.
											 
										 
																																				
											
												01:37
											 
											
												Das heißt, wo geschaut wird, was ist passiert, warum ist es passiert, wer hat was dazu beigetragen,
											 
										 
																																				
											
												01:43
											 
											
												wie hoch ist das Risiko, dass das wieder passieren kann,
											 
										 
																																				
											
												01:47
											 
											
												wie bewertet er diese Handlungen, die er gesetzt hat nach der Verurteilung
											 
										 
																																				
											
												01:51
											 
											
												und welche Handlungsalternativen kann er entwickeln.
											 
										 
																																																					
											
												01:57
											 
											
												Wenn man einmal eine Betreuungsbeziehung aufgebaut hat und so die ersten Schritte gegangen ist,
											 
										 
																																				
											
												02:00
											 
											
												dann ergibt es sich ganz von selbst und da gibt es Leute, wo man sagen kann, es geht auch mit wenig Kontakt.
											 
										 
																																				
											
												02:06
											 
											
												Man sieht sich nur sporadisch und überprüft, ob die Richtung noch stimmt, in die der Klient geht.
											 
										 
																																				
											
												02:11
											 
											
												Oder aber es gibt Leute, die viel Kontakt brauchen und denen man auch viel nachgehen muss,
											 
										 
																																				
											
												02:17
											 
											
												weil sie dann irgendwann an einen Punkt kommen, wo sie so mit ihren Defiziten konfrontiert werden,
											 
										 
																																				
											
												02:25
											 
											
												dass sie ausbleiben und nicht mehr zu den Terminen kommen
											 
										 
																																				
											
												02:28
											 
											
												und dann muss man ihnen nachgehen, nachfahren und suchen
											 
										 
																																				
											
												02:31
											 
											
												und das kann oft sehr mühsam werden und auch frustrierend.
											 
										 
																																																					
											
												02:37
											 
											
												Was natürlich auch passiert ist, dass man Haftbesuche machen muss.
											 
										 
																																				
											
												02:40
											 
											
												Ansonsten gibt es Unterstützung bei Behördenwegen.
											 
										 
																																				
											
												02:43
											 
											
												Es kann auch methodisch sinnvoll sein, dass man sich in einem Kaffeehaus trifft,
											 
										 
																																				
											
												02:47
											 
											
												um eine unbeschwertere Atmosphäre herzustellen.
											 
										 
																																				
											
												02:51
											 
											
												Hausbesuche gehören natürlich dazu, weil man da auch sehr viel sieht
											 
										 
																																				
											
												02:54
											 
											
												und sehr viel kennenlernt von den Leuten, das man im Büro nicht sehen kann.
											 
										 
																																				
											
												02:58
											 
											
												Auch ein Zeichen an die Klienten, dass man auch vor Gericht vor Ort ist und weiß, was vor Gericht läuft
											 
										 
																																				
											
												03:03
											 
											
												und auch den Klienten begleitet zur Gerichtsverhandlung, quasi beisteht.
											 
										 
																																				
											
												03:06
											 
											
												Es ist auch so, dass der Bewährungshelfer oder die Bewährungshilfe
											 
										 
																																				
											
												03:10
											 
											
												dem Gericht berichten muss in bestimmten Abständen, wo allerdings nur ganz bestimmte Dinge berichtet werden.
											 
										 
																																				
											
												03:16
											 
											
												Das heißt, Gesprächsinhalte oder so werden nicht beschrieben, aber es werden die Themen,
											 
										 
																																				
											
												03:20
											 
											
												an denen gearbeitet wird, genannt und ob jemand kommt.
											 
										 
																																				
											
												03:23
											 
											
												Wird jemand rückfällig, wieder strafbar oder nicht. Das ist das oberste Kriterium.
											 
										 
																																																					
											
												03:30
											 
											
												Was ist glaube ist, dass man ein grundlegendes Interesse an Menschen haben muss
											 
										 
																																				
											
												03:35
											 
											
												und ein grundlegendes Interesse an menschlichen Schicksalen.
											 
										 
																																				
											
												03:38
											 
											
												Es ist wirklich eine ganz schöne Ladung, was man da erlebt an Geschichten und oft auch tragischen Geschichten.
											 
										 
																																				
											
												03:45
											 
											
												Man braucht Verständnis für soziale Zusammenhänge,
											 
										 
																																				
											
												03:50
											 
											
												um irgendwie auch ein Verständnis dafür entwickeln zu können,
											 
										 
																																				
											
												03:56
											 
											
												wie Kriminalität entsteht oder warum Menschen kriminell werden könnten.
											 
										 
																																																					
											
												04:01
											 
											
												Man braucht ein gewisses Maß an Optimismus und Glaube an das Gute im Menschen.
											 
										 
																																																					
											
												04:11
											 
											
												Man braucht Durchhaltevermögen.
											 
										 
																																				
											
												04:12
											 
											
												Man muss oft 100 Schleifen machen, bevor die 101. vielleicht zum Erfolg führt.
											 
										 
																																				
											
												04:18
											 
											
												Man muss auch aushalten, dass es bei manchen Leuten keinen Erfolg gibt.
											 
										 
																																																					
											
												04:23
											 
											
												Ein Kollege von mir hat einmal gesagt,
											 
										 
																																				
											
												04:24
											 
											
												wenn man jeden Tag dem Wahnsinn ins Gesicht schaut, schaut er irgendwann zurück.
											 
										 
																																																					
											
												04:30
											 
											
												Das stimmt.
											 
										 
																																				
											
												04:31
											 
											
												Also man muss da schon für sich eine eigene Strategie entwickeln, wie man das verarbeitet.
											 
										 
																																				
											
												04:36
											 
											
												Ich finde es wichtig, bewusst zu haben,
											 
										 
																																				
											
												04:40
											 
											
												dass das auch gefährliche Menschen sein können, mit denen man zu tun hat
											 
										 
																																				
											
												04:44
											 
											
												und dass man in gefährliche Situationen kommen kann und dass man für sich schon parat hat,
											 
										 
																																				
											
												04:50
											 
											
												was man tut, wenn man sich bedroht fühlt oder wenn man ein ungutes Gefühl entwickelt im Klientenkontakt.
											 
										 
																																																					
											
												04:58
											 
											
												Nämlich man geht schnellst möglich ohne irgendetwas gewinnen zu wollen.
											 
										 
																																																					
											
												05:02
											 
											
												Wenn man sich wirklich für den Beruf interessiert, muss man sicher sein, dass man psychisch stabil ist.
											 
										 
																																				
											
												05:07
											 
											
												Man muss sich für Menschen interessieren und ihre Schicksale.
											 
										 
																																				
											
												05:10
											 
											
												Man braucht die Fähigkeit in der Mitte zu bleiben, bei sich zu bleiben
											 
										 
																																				
											
												05:20
											 
											
												und sich nicht hinreißen zu lassen zu unüberlegten Handlungen
											 
										 
																																				
											
												05:25
											 
											
												oder Impulsen nachgeben, die man momentan hat.
											 
										 
																																				
											
												05:29
											 
											
												Man muss stabil bleiben und bei sich bleiben.
											 
										 
																																																					
											
												05:33
											 
											
												Der Bedarf wird wahrscheinlich steigen.
											 
										 
																																				
											
												05:35
											 
											
												Allerdings, ob es das politische Verständnis oder ob die Entscheidungsträger in der Lage sein werden,
											 
										 
																																				
											
												05:42
											 
											
												das zu erkennen, ist eine andere Frage.
											 
										 
																																																					
											
												05:57
											 
											
												Ihr müsst Euch das vorstellen. Bis ca. 1977 ist gewissermaßen 80 bis 85% das, was Sozialarbeiterinnen,
											 
										 
																																				
											
												06:06
											 
											
												damals werden sie schon Sozialarbeiterinnen genannt, das machen Leute im Bereich der Jugendamt-Sozialarbeit.
											 
										 
																																				
											
												06:15
											 
											
												Dann gibt es noch die Straffälligenhilfe, also die Bewährungshilfe
											 
										 
																																				
											
												06:19
											 
											
												Dann beginnt erst mit den ausgehenden 1970er Jahren
											 
										 
																																				
											
												06:25
											 
											
												erstmalig eine Ausdifferenzierung in verschiedene Handlungsfelder in diese Vielfalt
											 
										 
																																				
											
												06:29
											 
											
												Das ist geprägt von den Sozialarbeiterinnen, die jetzt im Bereich,
											 
										 
																																				
											
												06:35
											 
											
												gerade auch im Zusammenhang mit der Frauenbewegung entstehen die ersten Frauenhäuser,
											 
										 
																																				
											
												06:40
											 
											
												in späterer Folge dann Interventionsstellen gegen Gewalt in der Familie.
											 
										 
																																				
											
												06:46
											 
											
												Es entstehen Streetwork-Projekte.
											 
										 
																																				
											
												06:49
											 
											
												Es entstehen in den 1980er Jahren neue Formen der Wohnungslosenhilfe, die auf Schiene gebracht werden.
											 
										 
																																				
											
												06:56
											 
											
												Die Suchthilfe, die Psychosozialen Dienst-Angebote.
											 
										 
																																				
											
												07:01
											 
											
												Diese sozialpsychiatrischen Problemfälle werden von Sozialarbeiterinnen gemacht.
											 
										 
																																				
											
												07:07
											 
											
												Diese Situation, dass wir jetzt ein Wording haben,
											 
										 
																																				
											
												07:15
											 
											
												dass alle Bachelor-Programme Soziale Arbeit großgeschrieben und getrennt genannt werden,
											 
										 
																																				
											
												07:21
											 
											
												ist eine, ohne es so kenntlich gemacht zu haben, Übernahme bundesdeutscher Wordings.
											 
										 
																																																					
											
												07:31
											 
											
												Die Frage ist immer rechtliche Normen, Theorie und wie wird die Praxis gelebt.
											 
										 
																																				
											
												07:37
											 
											
												Die Berufsgruppe hat immer wieder die Herausforderung in diesem Spannungsfeld zu agieren.
											 
										 
																																				
											
												07:47
											 
											
												Das heißt, es gibt einen alten Klassiker, der sagt, es gibt das doppelte Mandat.
											 
										 
																																				
											
												07:51
											 
											
												Das eine Mal verstehst du dich als beruflicher Sozialarbeiter, Sozialarbeiterin.
											 
										 
																																				
											
												07:57
											 
											
												Ich bin für meine Klientinnen da.
											 
										 
																																				
											
												07:59
											 
											
												Andererseits wirst du natürlich auch von der öffentlichen Sozialverwaltung bezahlt.
											 
										 
																																				
											
												08:05
											 
											
												Das ist natürlich so etwas wie ein Spannungsverhältnis.
											 
										 
																																				
											
												08:08
											 
											
												Beziehungsweise es gibt neuerdings, das könnte man auch ein bisschen optimistisch interpretieren,
											 
										 
																																				
											
												08:14
											 
											
												ein drittes Mandat, wo man sagt, wir haben auch eine gesellschaftspolitische Herausforderung.
											 
										 
																																				
											
												08:21
											 
											
												Wir als Berufsgruppe sind auch dazu da, eine gerechtere und sozialere Gesellschaft mitzubewirken.
											 
										 
																																																					
											
												08:28
											 
											
												Behördliche Sozialarbeit hat natürlich auch in den letzten 15 Jahren zunehmend nur mehr ihre Kernbereiche.
											 
										 
																																				
											
												08:38
											 
											
												Das andere wird einfach ausgelagert und zugekauft von freien Trägern der Wohlfahrt.
											 
										 
																																				
											
												08:43
											 
											
												Es gibt gewissermaßen diesen Wohlfahrtsmix.
											 
										 
																																				
											
												08:45
											 
											
												Er ist aber nicht, wie viele glauben, ein ganz neues Phänomen und hätte mit dem Neoliberalismus zu tun.
											 
										 
																																				
											
												08:53
											 
											
												Ich als Historiker, der auch die Geschichte der Sozialen Arbeit immer wieder erforscht hat in den letzten Jahrzehnten,
											 
										 
																																				
											
												09:00
											 
											
												muss feststellen, seit den 1880er Jahren kann man nachweisen,
											 
										 
																																				
											
												09:04
											 
											
												dass die behördlichen Einrichtungen und Träger auf der einen Seite schon anno dazumal gesagt haben,
											 
										 
																																				
											
												09:10
											 
											
												wir haben viele Vereine, denen geben wir Subventionen und Förderungen und die sollen das und das für uns miterledigen.
											 
										 
																																				
											
												09:19
											 
											
												So ist es eigentlich seit eh und je in diesem historischen Ablauf einmal so und so das Mischungsverhältnis.
											 
										 
																																				
											
												09:26
											 
											
												Aber an sich ist es nichts Neues.
											 
										 
																																				
											
												09:29
											 
											
												Es führt natürlich auch dazu, dass jetzt in den Handlungsfeldern teilweise natürlich die Bezahlung auch variiert.
											 
										 
																																				
											
												09:38
											 
											
												Es ist so, dass die Verberuflichung des weiblichen sozialen Ehrenamtes
											 
										 
																																				
											
												09:45
											 
											
												am Vorabend des I. Weltkrieges seine ersten Ausprägungen hatte
											 
										 
																																				
											
												09:50
											 
											
												mit gesetzlichen Veränderungen, dass man überhaupt in die Familie hineinintervenieren konnte.
											 
										 
																																				
											
												09:55
											 
											
												Bei Missbrauch und bei Vernachlässigung hat man dann das Jugendamt gesetzlich institutionell geschaffen.
											 
										 
																																				
											
												10:02
											 
											
												Dann hatte man die Herausforderung und am Ende des I. Weltkrieges
											 
										 
																																				
											
												10:06
											 
											
												beziehungsweise zu Beginn der Ersten Republik im Jahre 1918
											 
										 
																																				
											
												10:10
											 
											
												hat man dann erstmalig ein öffentlich rechtlich anerkanntes Ausbildungssystem bekommen.
											 
										 
																																				
											
												10:16
											 
											
												Wir haben heutzutage in jedem Bundesland eine Ausbildung. Das war aber nicht immer so.
											 
										 
																																				
											
												10:20
											 
											
												In jedem Bundesland haben wir eine Sozialarbeiterinnen-Ausbildung.
											 
										 
																																				
											
												10:23
											 
											
												Aber es sind keine geklonten identen Ausbildungsprogramme.
											 
										 
																																																					
											
												10:29
											 
											
												Es ist klar, die Grundsachen sind überhaupt keine Frage.
											 
										 
																																				
											
												10:35
											 
											
												Es gibt dann natürlich standortbezogene Profile, Akzente und dergleichen mehr.